Nach zwei (kulinarisch verorteten) Kochbüchern und einer Hackerbrausereferenz schien es an der Zeit, auch mal was für die körperliche Ertüchtigung unserer Leserschaft zu tun. Bruce Perry – IT-Profi und Sportskanone in Personalunion – war deshalb so nett, ein Techie-kompatibles Buch zum Themenkomplex Gesundheit/Sport/Ernährung für O’Reilly zu schreiben. Es heißt Fitness für Geeks, hat ein schickes grünes Cover und umfasst ca. 340 Seiten. Darüber hinaus bietet es eine Menge interesssanten Gesprächsstoff, wie das folgende Interview mit Bruce eindeutig beweist.
Hi Bruce, was gab’s bei dir heute zum Frühstück?
Zwei hartgekochte Eier, eine Avocado, ein paar Beeren, Cheddarkäse und eine halbe Banane. Ich hatte 15 Stunden Pause zwischen den Mahlzeiten eingelegt (seit 18:00 Uhr gestern Abend), obwohl es zwischendurch noch einen Molke-Protein-Shake gab, bei einer Politdebatte im Fernsehsehen… Das zählt also nicht als „echtes“ zeitweiliges Fasten.
Und wann hast du zum letzten Mal trainiert?
Gestern hab ich ein interessantes Training absolviert. Wir haben einen 10km langen, offenen Strand in der Nähe von Boston (Plum Island). Es herrschte Ebbe und die See war glatt, nicht zu viele Wellen; also habe ich ca. sechs bis sieben 100m-Sprints barfuß im groben Sand absolviert, die letzten paar mit Volldampf. Dann bin ich ins Wasser gesprungen. Es hatte zwischen neun und zehn Grad, das habe ich mit einem Pool-Thermometer gemessen. Nur mal flott schwimmen. Sehr erfrischend (und gesund!). Schwimmen in kaltem Wasser ist eine relative neue Sache für mich; es ist erstaunlich, wie der Körper sich daran gewöhnen kann.
Wow, nicht schlecht… Es gibt da einen Satz in der (amerikanischen) Autoreninfo deines Buches, bei dem ich grinsen musste. Da steht, dass du fitnessmäßig mittlerweile zwar wieder auf dem richtigen Weg bist, aber eine Jugend ohne richtige „Führung“ bzw. „Anleitung“ hattest. Kannst du das näher erläutern, von den Sünden der Vergangenheit erzählen – und von den Ereignissen, die dich dazu gebracht haben, deinen Lebenswandel zu ändern?
Das ist hauptsächlich ein Wortspiel, wenn man in Betracht zieht, dass ich mittlerweile einige Klettertouren mit Bergführern in den Alpen und im Westen der USA unternommen habe. Aber ich denke, dass ich in Bezug auf Fitness schon einige Fehler in meiner Jugend gemacht habe. Ich habe übermäßig trainiert. Ich war angeschlagen von zu vielen Straßenläufen, dann habe ich mich in eine Ü40-Fußballliga gestürzt und fast mein Knie zerstört; die Triathlons danach waren etwas versöhnlicher wg. der Schwimmeinlagen, aber da habe ich immer noch zuviel trainiert. Jetzt habe ich den Tacho ein bisschen runtergeschraubt und mache nur sowas wie Skifahren mit meinem Sohn und eine größere Bergtour im Jahr. Ich spiele mit Fitness Apps. Und ich werde viel seltener krank als früher.
Übermäßig trainiert… aha. Und ich dachte, du wärst ein Mountain-Dew-abhängiger Stubenhocker gewesen, bevor du mit Sport und Fitness angefangen hast… Nächste Frage: Für „Fitness für Geeks“ hast du einiges recherchiert in Sachen Ernährung, Gesundheit, Physis allgemein und Beobachtung des eigenen Körpers. Was sind deine wichtigsten (und überraschendsten) Erkenntnisse, kurz und knapp?
Eine Erkenntniss war die schiere Breite und Tiefe der Gesundheits- und Fitness-Apps. Zig Millionen User bei EndoMondo, Strava, FitBit, Runtastic und diesen Sachen. Mit diesen Apps kannst du dein eigenes Abnehmprogramm entwickeln, Softwareleute sind mit dem Entwickeln von Programmen ja vertraut. Verfolge die Kalorien in deinem Speiseplan, verfolge dein Bewegungslevel (sowie die verbrauchten Kalorien) mit FitBit, spiele die Daten auf deine Withings Body-Composition-Waage, und da hast du sie: alle Daten auf dem gleichen Bildschirm, mitgeschnitten über einen längeren Zeitraum, sodass du nach Mustern suchen kannst. Diese Apps haben auch einen Schwanz-wedelt-mit-dem-Hund-Effekt; sie bringen die Leute dazu, mehr zu trainieren, alles wird ja überwacht.
Eine weitere Einsicht, die sich im Lauf der Jahre entwickelt hat, ist die, dass wir vom öffentlichen Gesundheitswesen eine Menge verkehrte Ratschläge bekommen haben: Fett im Speiseplan ist schlecht, die Sonne ist Gift, also immer schön mit Sonnencreme rumlaufen; und je mehr Fitness-Training, desto besser (als wäre eine Marathon gut für dich). Fehlanzeige, in allen drei Fällen. Es ist der Zucker im modernen Speisplan, der sich verheerend auswirkt (kleine schlechte Nachricht für alle Dessert-Fans), nicht das Fett; die Sonne ist gesund, da sie das secosteroide Hormon Vitamin D produziert – und aus anderen Gründen (von denen viele möglicherweise noch nicht entdeckt sind); übermäßiges „Hardcore“-Training kann andererseits zu Herzschäden führen, das Immunsystem unterdrücken und zu anderen ungesunden Entwicklungen führen…
Der durchschnittliche westliche Büroarbeiter verbringt irgendwas um die acht Stunden pro Tag auf einem Stuhl, den Blick auf den Bildschirm fixiert. Wenn man nun mit dem Rad zur Arbeit fährt, in der Mittagspause im Park laufen geht und Gemüsesuppe statte Fritten mit Schokopudding isst – kann man damit wirklich diese ganze Passivität ausgleichen?
Das ist lustig… Viel Herumsitzen, das ist etwas, von dem alle genau wissen, dass sie es zu häufig tun – und trotzdem die Angewohnheit, mit der man am schwersten brechen kann. Es gibt eine Menge Studien zum „Leben im Sitzen“ oder „Leben vor dem Bildschirm“ und seinen Auswirkungen (die sollten sich nun vielleicht anderen wichtigen Dingen zuwenden, da wir ja alle schon Bescheid wissen), und mindestens einmal im Jahr findet jemand heraus, dass schon relativ kurze Sitzgelage den Nüchternblutzucker versauen (der niedriger sein sollte, nicht dauerhaft hoch). Kleine Dinge summieren sich über Monate und Jahre. Man verliert Knochenmineralien, und die Knochendichte und -stärke lässt nach aus Mangel an Belastungs- und Hebeübungen. Was mit älteren Leuten in Sachen Muskel- und Knochenschwund passiert ist ein Paradebeispiel: Sie bewegen sich jahrelang nicht („weil ich zu alt bin“), und die Anfälligkeit für Stürze ist dann die Ursache vieler weiterer Probleme. Es ist tragisch anzusehen, wie jemand auf diese Art eingeht, einfach weil man das verhindern kann. Das Fazit ist jedenfalls, dass sich moderne Büromenschen ständig in Bewegung halten sollten. Das ist nicht schwer, oder?
Ich bin ganz d’accord. Übrigens, da fällt mir was ein. Zwei meiner Kolleginnen haben Stehschreibtische, weil sie mit Rückenproblemen zu kämpfen hatten. Ich denke, dass jeder so einen Tisch haben sollte, um jeglichen Ärger zu vermeiden. Wie überzeuge ich die Geschäftsführerin?
Stehschreibtische werden die Norm sein. In einigen Firmen sind sie das zweifellos schon.
Schauen wir mal, was passiert. Eine weitere Frage zum Thema Fitness in der Freizeit: Ich gehe gerne wandern… oder auch mal rudern… und Mannschaftsport find ich auch toll. Aber Gewichtheben? Muss man wirklich in die Muckibude gehen?
Gewichtheben ist ein wichtiger Faktor, und ich glaube nicht, dass die anderen Aktivitäten ihn ersetzen können – so schön sie auch sein mögen. Am besten kombiniert man seinen Ausdauersport mit Muskelaufbau. Es gilt, Verletzungen zu vermeiden und den Verlust von Magermasse, der vom modernen Leben beschleunigt wird. Außerdem: den Alterungsprozess verlangsamen, sich um positive Exprimierung bemühen, sträker und schneller werden. Wandern ist wunderbar, ich gehe ganz häufig, aber es macht meine Beine oder meinen Oberkörper nicht nennenswert stärker. Übrigens: du brauchst keine Muckibude, du kannst dir Hanteln für zuhause und fürs Büro besorgen, und Crossfit-Übungen machen wie Klimmzüge, Liegestützen oder sogenannte „Burpees“
Rumhängen auf der Couch, drei Sci-Fi-Filme am Stück gucken, dabei eine große Pizza mit extra Käse mampfen und eine Menge Koffeinbrause trinken – das ist ziemlich beliebt bei vielen Freunden von mir. Ist dein Buch eine Bedrohung für die traditionelle Geek-Kultur?
Hey, das klingt gut. Vielleicht „Aliens“, dann „Terminator Salvation“, dann „Reign Of Fire“? Ich wäre dabei, mit einer großen Paleo-Crust-Pizza… ;-) In jedem Fall entwickelt sich die Geek-Kultur aber auch… Einige Sachen, die Geeks total gerne gemacht haben, z.B. Das Hochleveln bei Videospielen, werden jetzt auf Fitness-Programme übertragen: Stichwort Fitocracy. Es hängt außerdem davon ab, welche Definition von „Geek“ zu heranziehst. Ein Geek ist ein Kenner, ein passionierter, hingebungsvoller Experte, siehe Fahrrad-Geek oder Gewichtheber-Geek. Man kann auch Jock und Geek gleichzeitig sein. Glaub mir, ich habe mit vielen solchen Leuten gearbeitet.
Ein Geek und gleichzeitig ein Jock? Ich dachte, dass würde sich gegenseitig ausschließen. Aber ich denke, dass du Recht hast. Das hängt von der Geek-Definition ab. Als Schokoladeneis-Geek ist man wahrscheinlich wieder IT- noch Fitness-affin. Wie auch immer: Es war sehr interessant, mit dir über „Fitness für Geeks“ zu sprechen. Noch irgendwelche abschließenden Gedanken zu deinem Buch und Gründe, warum man es lesen sollte?
Geeks beschäftigen sich mehr denn je mit Fitness. Für alle, die loslegen wollen, deckt mein Buch die ganze Bandbreite ab, inkl. der Fülle an verfügbaren Apps, mit denen man seine Ernährung analysieren und sein Fitnessprogramm unterstützen kann. Falls ihr jemals wissen wolltet, was eine GPS-eXchange-Datei ist, in meinem Buch gibt’s einen Abschnitt dazu, genauso wie solide, gründlich recherchierte Infos zu Paleo, Fasten, Gewichtheben etc. Ansonsten: Danke Alex, das hat Spaß gemacht…
Vielen Dank an dich, Bruce! Wenn du mal in Deutschland bist, sag Bescheid. Dann organisieren wir eine Workout-Session im Kölner O’Reilly-Büro.